Geschichte als Schachproblem

Wer kennt nicht den heldenhaften Spartanerkönig Leonidas? „Wanderer, kommst Du nach Sparta...“ Doch was geschah 480 v. Chr. am Thermopylenpass wirklich?

 

Es ist an der Zeit, historische Allgemeinplätze ins rechte, wahrhaftige Licht zu rücken. Wer etwas auf sich hält, beginnt natürlich mit den alten Griechen. Sollten dabei noch die Perser im Spiel sein, liegt die bedeutsame Beziehung zum Schach gleichsam auf der Hand. Was eignet sich also mehr, als die Schicksalsschlacht zwischen König Leonidas und dem Perserfürsten Xerxes einer näheren Betrachtung zu unterziehen?

Erfahret dabei mit großen Augen, wie die Geschichte um den publikumswirksamen Heldentod eines Märtyrers gebracht wurde und wie sich der spartanische Monarch durch findiges Aufspüren der Rettung die verdiente Altersruhe sicherte.

 

 Weiß (Xerxes):            Kd7, Sc6, Se8, a3, e3

Schwarz (Leonidas):  Ka8, a7, a6, a5, a4, e7, e6, e5, e4

leonidas 

Leonidas Acht Mannen steh’n mir noch Spalier,
die Luft wird knapp, ich brauch’ ein Bier!
Mir graut’s ob dieser Kavall’rie;
wohl nicht mehr lang, dann bin ich hie.
Xerxes Nun, Grieche, werd’ ich dich zermalmen,
ich sehe den Olymp schon qualmen!
Kein Zögern mehr gibt’s für dein Sterben,
auch werd ich deine Frauen erben!
Leonidas Halt ein, du Großmaul, sag mir doch,
wie viele Schritte brauchst du noch?
Xerxes Fünf an der Zahl, das soll genügen,
dann wirst du tot im Staube liegen!
Leonidas Beim Zeus, mein Glück auf dieser Erde
sitzt nicht im Sattel jener Pferde!
Zu Hilf!· Zu Hilf!· Ihr müden Götter,
schickt Blindheit diesem alten Spötter!
Xerxes Der Worte sind genug gewechselt,
jetzt wird an deinem Matt gedrechselt.
Leonidas Den Hauch Freund Heins ich schon verspüre,
wo ist denn nur die Hintertüre?
Xerxes Vorwärts!· Rückt an zum ersten Streich!
Der zweite, dritte folgt sogleich!
Leonidas Jetzt sitz’ ich fest, komme nicht weit,
der eigne Kumpel macht mich breit.
Xerxes Der vierte kündigt nun dein Ende
Leonidas Heureka, Zeus, ich seh’ die Wende!
Xerxes Und nun, Halunke, “chess”, das letzte....
Leonidas Geruchloser, du brichst Gesetze!
Verrat, List, Falschheit und Betrug!
Ich geh jetzt heim, ich hab genug.
Ein Schwindler bist du, ohne Stolz;
Xerxesse holt das Nudelholz,
wenn sie erfährt von deinem Tun.
Jetzt lass erst mal die Waffen ruh’n.
Xerxes

Du höhnst mir noch, dass ich betrüge,
den Sieg erkauft mit List und Lüge?
So weis es nach, ich werd verschwind(i)en
von hier aus bis nach Hinterindien.

Leonidas So nimm denn Platz auf dieser Wiese
und denk mal nach wie Adam (Riese).
Xerxes (denkt nach)
Leonidas Sieh an, der Gauner wird schon blasser,
jetzt krieg ich langsam Oberwasser!
Sein Mund wird schmal, die Nase fahl,
das Haar entweicht, er wird ganz kahl.
Xerxes Ich bin ertappt, bei meiner Ehre;
nicht dass ich mich dagegen wehre,
doch wie verwind’ ich diese Pein?
Mein Weib sperrt mich im Keller ein.
Komm mit mir mit, ich schenk dir Villas,
mach dich zum Hauptmann der Guerillas;
doch sprich mit niemandem ein Wort
von diesem frevlen Königsmord!
Für die Geschichte und zum Schein
bau’n wir dir deinen Totenstein.

 

Ausklang

Leonidas, Epikuräer,
besah sich seine Lage näher.
Dem Tod entwischt mit knapper Not
schlug ein er in dies Angebot.

 

Aufgabe

Nach Happy End (= gutem Schluss)
dem Rätsellöser zum Verdruss:
Wie konnt’ in Fünf der Griech’ ersticken?
Durch Fünf ihm doch die Rettung glücken?

 

Lösung

Ermattet sank der König nieder,
ein Hufschlag lähmte seine Glieder.

Das Matt in 5 Züge
hilft Fritz rauszukriegen.
Doch viel mehr Vergnügen:
der Nachweis von Lügen.

Hier solltest du fragen
„Wie oft muss Schwarz schlagen,
damit seine Bauern
formieren solch' Mauern?“

Frischauf an's Probieren,
dann noch subtrahieren;
du wirst dich besinnen:
Die Fünf kann nicht stimmen!

 

Helmut Giering,
mitgebracht aus einem Seniorenturnier in Baden-Württemberg